Interview mit komorebi interactive

Eine junge Entrepreneurin möchte mit ihren Angeboten verschiedenen Unternehmen die technischen Möglichkeiten von Spielen näherbringen. Dabei will sie die Potenziale aufzeigen, in welchen Bereichen interaktive Anwendungen eingesetzt werden können, um bspw. Vertrieb, Marketing oder auch interne Prozesse zu optimieren.

Hallo Sandra, was verbirgt sich hinter dem Namen komorebi interactive? Kannst du kurz zusammenfassen, was du genau machst?

Sandra Sponagel: komorebi interactive haben mein Partner und ich 2017 gegründet, nachdem wir Game Design an der HTW Berlin fertig studiert hatten. Wir wollten die technischen Möglichkeiten von Spielen Unternehmen näherbringen und anderen Branchen zeigen, in welchen Bereichen interaktive Anwendungen eingesetzt werden können, um bspw. Vertrieb, Marketing oder auch interne Prozesse zu optimieren. Spezialisiert haben wir uns vor allem auf die virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) sowie erweiterte Realität (Augmented Reality, AR). Wir haben aber auch Spiele, Apps und Websites konzipiert und umgesetzt.

Seit Ende 2019 führe ich die damalige GbR als Einzelunternehmerin weiter. Die Themengebiete sind die Gleichen geblieben, doch der Arbeitsschwerpunkt hat sich weiter in den Bereich UX Design verschoben. D. h. derzeit unterstütze ich Kund*innen häufig dabei komplexe Web- und App-Produkte zu konzipieren und zu gestalten.

Bei Spiel- oder VR-/AR-Anwendungen hole ich mir dann meistens Hilfe von weiteren Freelancer*innen, wenn nicht bereits eine Agentur oder sogar ein internes Team im Projekt eingeplant ist.

 

Das klingt nach einem großen Leistungsspektrum. Was war bis jetzt dein spannendster und innovativster Auftrag?

Sandra Sponagel: Am spannendsten war die Umsetzung einer Event-/Messehalle in der virtuellen Realität. Circa ein Jahr bevor der hub27 der Messe Berlin fertig gestellt wurde, hatten wir zusammen mit den Mitarbeiter*innen und Architekt*innen der Messe eine virtuelle Führung für den hub27 ins Leben gerufen. Anhand von Bauplänen und Materialproben konnten wir die Messehalle realitätsgetreu in Form einer digitalen Architekturvisualisierung nachbauen. 

Die Messe stellte am Ende des Projekts noch einen Showroom zur Verfügung, in dem durchgehend virtuelle Führungen stattfanden. Diese Führungen in der VR-Anwendung wurden einerseits genutzt, um das Team intern zum neuen Gebäude zu schulen, aber auch um Interessent*innen und Kund*innen die Messehalle vor Fertigstellung zeigen zu können. Somit konnten bereits vor Ende der Bauphase Events geplant werden und der Vertrieb und das Marketing des hub27 frühzeitig starten, denn Kund*innen konnten im virtuellen Rundgang ja bereits einen Eindruck der Event-Halle erhalten.

 
Ergänzend zu der Anwendung in der virtuellen Realität, haben wir den hub27 auch als Web-Anwendung zur Verfügung gestellt. D. h. auch Kund*innen, die nicht kurzfristig nach Berlin reisen konnten, erhielten die Möglichkeit sich von zu Hause/ihrem Arbeitsplatz aus das neue Gebäude anschauen und für ihre Veranstaltung in Erwägung ziehen.

komorebi interactive
kurz gefasst!

Bilder: komorebi interactive

Sandra Sponagel: Weitere innovative Projekte waren Anwendungen für Messestände, Team-Building-Apps und virtuelle Werbematerialien in VR und AR. Ein Beispiel ist die App von faszinatour, die Team Building-Events durchführen und dafür mobile VR-Anwendungen mit ins Repertoire aufnahmen. Während ein Team-Mitglied eine mobile VR-Brille aufsetzt und einen digitalen Legoturm mit Worten beschreibt, sollte ein weiteres Team-Mitglied diesen Turm so schnell wie möglich mit echten Bauklötzen nachbauen. Ein einfaches, aber sehr spaßiges Konzept.

Du bist auch Teil eines Teams, das ein Videospiel entwickelt hat, in dem es um Nacktmulle und Depressionen geht. Wie passt das zusammen?

Sandra Sponagel: Genau, „Duru“ heißt dieses Herzensprojekt. Wenn man es genau nimmt, geht es übrigens um Graumulle – das sind die niedlicheren und nicht nackten Verwandten der Nacktmulle. Das Projekt ist mehr oder weniger aus dem Game Design-Studium entstanden. Auch wenn Business-Anwendungen unglaublich vielseitig und spannend sind, habe ich nie aufgehört weiterhin gern Spiele zu machen – vor allem Spiele, die ein komplexes oder wichtiges Thema vermitteln sollen.

Bei „Duru“ bin ich durch Kerstin und Verena, Freundinnen und ehemaligen Kommilitoninnen, ins Team gekommen. Sie riefen das Projekt ins Leben und nahmen mich 2019 mit ins Gründerinnen-Team von Twisted Ramble Games auf. In unserem ersten Spiel, einem 2D Puzzle Adventure, geht es um die Graumullin Tuli, die in einer Graumull-Kolonie als Futtersammlerin lebt. Um Futter zu finden, muss sie täglich in Tunnel gehen und Rätsel lösen. Eines Tages kommt es in der Graumullkolonie zu einer Futterknappheit. 

Und ab hier wird eine Geschichte erzählt, die wahrscheinlich viele Menschen schon selbst miterlebt haben:
Dieser Vorfall sorgt dafür, dass Tuli noch mehr leisten möchte, um die Kolonie zu retten und sich schließlich überarbeitet. Sie verlangt zu viel von sich, was sie unglücklich macht und dazu führt, dass sie einem fiesen Begleiter begegnet, der sich in diesem Moment der Schwäche an sie heftet.

Sandra Sponagel: Diese dunkle, sechsbeinige Figur ist die Metapher für Tulis aufkommende Depression. Sie folgt ihr ab diesem Zeitpunkt stetig und sorgt dafür, dass Tuli sich von ihren Freund*innen mehr und mehr zurückzieht. Der Begleiter flüstert außerdem regelmäßig düstere Gedanken in ihr Ohr und sorgt dafür, dass Tuli die Realität verzerrt wahrnimmt.

Verpackt in ein niedliches Gewand, erzählen wir mit „Duru“ also eine Geschichte davon, wie der Krankheitsverlauf von an Depression Leidenden sein kann. Spieler*innen erwartet erstmal ein farbenfrohes Rätselspiel, das durch den Begleiter noch kniffliger wird, da dieser aktiv das Lösen von Rätseln manipuliert. Unterschwellig möchten wir mit diesem Spiel auf ein wichtiges und noch immer stark tabuisiertes Thema aufmerksam machen: mentale Gesundheit und Depression. wir möchten zeigen, wie man reagieren kann und nicht reagieren sollte, wenn man Freund*innen oder Familienmitgliedern helfen möchte, aus der Abwärtsspirale der Depression zu entkommen. Und wieso eigentlich Mulle? Diese Tiere haben zum Teil sehr ähnliche Lebensweisen wie wir Menschen: Sie haben verschiedene Aufgaben und soziale Strukturen. Dadurch können wir die Metapher von „Duru“ in eine Geschichte verpacken, die auch wir in unserer Menschenwelt spiegeln können. 

»Sind wir mal ehrlich: Kennt nicht jeder jemanden, der/die durch Überarbeitung an Burnout, Depression oder anderen psychischen Krankheiten leidet? Aus unserer Sicht ist es daher auch wichtig, endlich mehr darüber zu sprechen und zu informieren.«

Sandra Sponagel

Wie seid ihr, speziell in dem Projekt Duru, das Thema der Finanzierung angegangen?

Sandra Sponagel: Wir haben einerseits Förderungen für das Projekt selbst erhalten sowie für die Gründung und folgende Projekte des Unternehmens Twisted Ramble Games. Kerstin und Verena haben zu Beginn lange nebenberuflich an „Duru“ gearbeitet – d. h. das Projekt hat mit hohen Eigenleistungen gestartet. 2019 erhielten sie das Berliner Startup Stipendium der HTW Berlin, um Twisted Ramble Games zu gründen. Über dieses konnten wir zu dritt in Vollzeit an „Duru“ arbeiten und in der Zeit noch die Förderung des Medienboard Berlin-Brandenburg als Anschlussfinanzierung gewinnen.
Trotz dieser großen finanziellen Unterstützung, war uns bewusst, dass dies nicht alle Kosten decken würde. Außerdem hat sich die Entwicklungszeit verlängert, u. a. durch die derzeitige Situation.

Deshalb führten wir eine Kickstarter-Kampagne durch und haben begonnen stärker Onlinemarketing zu betreiben. Genauer gesagt haben wir eine Patreon-Seite ins Leben gerufen und streamen regelmäßig über unseren Entwicklungsstand. Das hat den positiven Effekt, dass unsere Community wächst, unsere Unterstützer*innen auf dem Laufenden bleiben und wir kleinere Einnahmen generieren, mit denen wir z. B. Arbeitsmaterialien besorgen können.

Vor Kurzem erhielten wir auch noch den GründungsBONUS der IBB, der uns die nächsten Jahre für Fremdleistungen und Gehälter noch unter die Arme greift.
„Duru“ befindet sich nun in der Abschlussphase der Entwicklung und soll Anfang nächsten Jahres erscheinen. Die finanziellen Mittel sind jedoch schon zu Großteilen aufgebraucht bzw. fest für bestimmte Dinge eingeplant (z. B. Sound Design, Marketing, …), weshalb wir derzeit alle nebenberuflich für die letzten Monate an „Duru“ weiterarbeiten, um es bis zur ersten Umsatzgenerierung fertigzustellen. Ab dann werden wir hoffentlich mehr auf eigenen Beinen stehen, aber auch andere Fördertöpfe nicht aus den Augen verlieren, wie z. B. die Computerspielförderung des Bundes.

Du hast deinen Privat- sowie Firmensitz nach Brandenburg verlegt. Wie kamst du dazu und welches Potenzial siehst du für andere Gründer*innen?

Sandra Sponagel: Ende 2020 haben wir, mein Mann und ich, uns ein Grundstück und Haus in Mittenwalde gekauft, da wir schon länger aus der Großstadt raus wollten, um mehr Platz zu haben. Da die Mieten mittlerweile genauso hoch sind wie Kreditraten, entschieden wir uns in Eigentum zu investieren. Wir sind beide außerdem sehr naturverbunden und mit zwei Hunden hat es sich erst recht gelohnt „aufs Land“ zu ziehen, da wir hier Wälder, Seen und Felder direkt vor der Tür haben. 

Für uns hat sich der Umzug sehr gelohnt und glücklicherweise sowie zufälligerweise sind wir kurz vor Beginn der Pandemie umgezogen. Mit eigenem Garten sind die Maßnahmen, die in der Stadt sicherlich viel anstrengender zu ertragen sind, gar nicht so stark aufgefallen. Dazu kommt, dass sich die Region gerade stark entwickelt. Der Glasfaserausbau ist hier in vollem Gange und auch die Verkehrsanbindung wird besser.

Zu Beginn sind wir noch häufiger in die Stadt gefahren, um zu Kunden (bzw. bei meinem Mann zum Arbeitgeber) zu fahren. Mit der Pandemie hat sich die Arbeitsweise ja bei fast allen Büro-Jobs und digitalen Tätigkeiten zu 100 % Remote-Arbeit entwickelt, wodurch wir noch mehr von unserem neuen zu Hause haben und auch fast nicht mehr in die Stadt müssen. Im Gegenteil. Unsere Kund*innen und Arbeitgeber*innen besuchen uns sogar, um aus der Stadt zu fliehen und wir machen hier ab und zu sogar Workshops. Das Arbeiten in einer anderen Kulisse oder auch mal im Garten ist sehr entspannt und sorgt für frischen Wind im Kopf.

Ein anderes Team-Mitglied von Twisted Ramble Games hat sich nun übrigens ebenfalls ein Haus hier in Mittenwalde gekauft. Anfangs gab es auch hier bedenken, ob man nicht etwas vermissen würde. Aber auch dort war schnell klar, dass man hier einfach alles hat – und in die Stadt aber auch schnell kommt, wenn es nötig ist.

 

 

Hast du noch Ratschläge oder Tipps, die du anderen Gründungsinteressierten mit auf den Weg geben möchtest?

Sandra Sponagel: Seid nicht unsicher, ob euer Gründungsvorhaben außerhalb der Stadt funktioniert. Es gibt mittlerweile viele Förderungen in Berlin-Brandenburg und zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, wie die des Startup Revier EAST.  Noch sind die Mieten in Brandenburg günstig und kreative Köpfe gibt es genug, die einem bei der Gründung zusätzlich unterstützen und begleiten. Muss man in die Stadt, kommt man dort genauso schnell hin wie wenn man innerhalb Berlins von A nach B fährt. Ich würde mein Gründungsvorhaben nicht mehr von der Großstadt abhängig machen und auch über Stadtgrenzen hinausblicken.

Interview geführt im November 2021 mit Marko Berndt

Bild- und Videomaterial: komorebi interactive, Twisted Ramble Games

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